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Eric Meier / Jonas Höschl

ALLES KACKE


Eröffnung 04.06.2023 – 18:00 - 21:00

Finissage 30.06.2023 – 14:00 - 18:00

Öffnungszeiten jeweils Freitag - Sonntag, 14:00 - 18:00


Eric Meier‘s (*1989 in Ost-Berlin, DDR, aufgewachsen in Frankfurt an der Oder) Fotografien, Skulpturen und Videoarbeiten zeigen urbane Räume und Fragmente, in die sich Zeichen der postsozialistischen Transformation und der Verlust gesellschaftlicher Utopie eingeschrieben haben.

Die Fotografien werden zu Indikatoren von Wandel, die gleichermaßen von individuellen Mythologien wie kollektiven Umkodierungen oder Überformungen zeugen. Der Mensch ist meist abwesend, aber durch seine zivilisatorischen Spuren, Brüche und Risse gekennzeichnet. Dieser Bruch setzt sich in Meiers Installationen fort. Dabei öffnet sich ein dritter, ästhetischer Raum, dessen Zeitlichkeit irgendwo zwischen Utopie und Dystopie in der Gegenwart angesiedelt ist. Meiers fotografische Arbeit ist oft Teil von Rauminstallationen aus Waschbeton, Second-Hand-Textilien und fusioniertem Glas. In den Videoarbeiten tritt der in den Fotografien abwesende Mensch in modifizierter Form wieder auf: In bühnengleichen Auftritten konterkariert er das Idealbild ostdeutscher Männlichkeit, oder demaskiert den Sprachgebrauch der AfD. Meiers Rhetorik ist vielschichtig, aber agiert nicht im verborgenen. Themen des Scheitern, des Verlustes, oder sozialer Identität ist der Arbeit inhehärent. Er legt den Status-Quo des Umgangs mit städtischen wie medialen öffentlichen Räumen offen, in denen Entmenschlichung und Vernachlässigung oft verdrängter Teil der Realität ist.

Meier studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, an der Universität der Künste Berlin und an der Ostkreuzschuöe für Fotografie Berlin. 2018 schloss macht er sein Diplom mit Auszeichnung in Leipzig. 2019 ist Meier Meisterschüler von Prof. Heidi Specker.

Anhaltende Dauerzustände, A:D:Curatorial, Berlin (2023)

Mit der Tür ins Haus fallen, Neues Museum Nürnberg (2022), Fermentieren: Perspektiven auf „Osten“, GRASSI Museum für Völkerkunde, Leipzig, Flaschen & Geister, MOUNTAINS, Berlin (2022),Identität nicht nachgewiesen, Neuerwerbungen der Sammlung des Bundes, Bundeskunsthalle Bonn (2022)... oder kann das weg? Fallstudien zur Nachwende, nGbK Berlin (2021) Von der schenkenden Tugend, Zarinbal Khoshbakht, Köln (2021) Reelleti Scheck, St.-Marien-Kirche, Frankfurt an der Oder (2021)

Don‘t worry, there will be more problems, fffriedrich, Frankfurt am Main (2020) ICI ET LÀ BAS, Goethe Institut Paris, Frankreich (2019) Wind of Change,(2019) DIKTAT, Valletta Contemporary, Malta (2019) Zweifel, Sammlung Hoffmann, Berlin (2018) Requiem for a failed state, Halle 14 Zentrum für zeitgenössische Kunst, Leipzig (2018)

ww.eric-meier.com

mail@eric-meier.com



Jonas Höschl (*1995, Regensburg) ist Konzeptkünstler und Fotograf. Für sein multimediales Werk, das Druckgrafik, Sound, Video und Installation umfasst, erhielt er unter anderem den Bayerischen Kunstförderpreis und den Kulturpreis des Bezirks Oberpfalz für Druckgrafik.

Auf der Suche nach Zugehörigkeit und Gemeinschaft stößt Jonas Höschl auf Vereinzelung und Absonderung. In seinen druckgraphischen Werken und Videoarbeiten hinterfragt er das identitätsstiftende Potential politischer Systeme und gesellschaftlicher Konstrukte. Anhand von regionalen Politskandalen und europäischen Konflikten zeigt er die Entfremdung von einenden Idealen auf. Aus der Ohnmacht des Einzelnen und der Macht der Vielen entsteht ein Spannungsfeld, worauf sich auch mediale Inszenierung stützt. Jonas Höschl eignet sich die zum Teil historischen Bildsprachen unterschiedlich ausgerichteter Ideologien an, um die propagandistische Manipulation offenzulegen. Durch Rekontextualisierung verweist er auf die Referentialität von Zeitdokumenten.

Jonas studierte neben Grafikdesign Fotografie bei Juergen Teller an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg und ist seit 2020 Meisterschüler in der Klasse Olaf Nicolai an der Akademie der Bildenden Künste München. Sein Werk wurde bereits vielfach ausgestellt und war unter anderem im Kunstmuseum Bochum, Kunstmuseum Ulm oder im EIGEN + ART Lab Berlin zu sehen. 2022 ist sein Fotobuch Fade Away Medley im Verlag von Das Wetter (Magazin für Text und Musik) erschienen und das Buch Politik von Medienbildern hat er letztes Jahr, 2022 bei Hatje Cantz herausgebracht. Zuletzt erschien seine Soundarbeit „Gropiusstadt - Ist alles Kacke hier!“ beim Frankfurter Label „ichi ichi“.

Gentle Reminder, Galerie Anton Janizewski, Berlin (2023), Ein Lied für Deutschland, Kunstmuseum Heidenheim (2022), TW: Europe, EIGEN + ART Lab, Berlin (2022), Ein kleines bisschen Horrorshow, Transit-Filmfest, Regensburg (2022), Stammtisch Papillon, Stadel-Galerie, Regensburg (2022), Protest! gestalten, Museum Ulm (2022), We threw a party oder The tears are still trippin’, M26, Regensburg (2022), Schuldiger Realismus, Galerie Anton Janizewski, Berlin (2022), Fotobuch Ausstellung, FOTO WIEN Festival, Wien (2022), I did not see it coming, Lothringer 13 Halle, München (2022), Bayerischer Kunstförderpreis, Galerie der Künstler, München (2021), Benefiz-Auktion, Neuer Aachener Kunstverein (2021), BLAST, ArtVerona, Verona (ITA, 2021), Trekant-Festival, Kolding / Middelfart / Veile (DNK, 2021), Interference Serenade, Festival der audiovisuellen Künste, Regensburg (2021), Luft, 48h Neukölln Festival, Berlin (2021), Zuhause, Kunstmuseum Bochum (2021)

www.jonashoeschl.de

jonas@hoeschl.com



Die Kombination der Arbeiten von Jonas Höschl (*1995 in Regensburg) und Eric Meier (*1989 in Berlin) eröffnet eine ganz persönliche Melange aus Irrationalität, Emotion und klarem Erfindungsreichtum. Die Vergangenheit als rätselhafter, bereits verflossener Bereich der zeitlichen Realität hinterlässt uns Erinnerungen, die sich in tiefgreifenden Implikationen materialisieren. Sie können liebevoll, entsetzlich oder nostalgisch sein. Kulturelle Einflüsse prägen unsere Wahrnehmung der Vergangenheit zusätzlich, bringen unterschiedliche Erzählungen hervor und betonen ihren subjektiv kollektiven Charakter. In „Alles Kacke!“ verleihen Höschl und Meier ihr eine grundlegende, intersubjektive Besonderheit, nämlich ihr Potenzial, die Gegenwart und die Zukunft zu gestalten: Zeitliche Schichten greifen ineinander und werfen Fragen nach menschlichem Handeln, nach Kausalität und nach dem komplizierten Gefüge zeitgenössischer Realitäten auf.

Soziale Strukturen und politische Systeme bilden die Substanz von Jonas Höschls künstlerischer Praxis. Mit sorgfältiger Quellenrecherche deckt er die bewusste Entfremdung von verbindenden Idealen und das Verhältnis von Individuum und Kollektiv auf. Indem er Dokumente der visuellen Kultur verwendet, verzweigt sich sein Werk in verschiedene Bildsprachen, die er durch unterschiedliche Medien wieder auf einen gemeinsamen Nenner bringt. Indem er seine Motive singuralisiert und rekontextualisiert, entwirft er Topologien der Gesellschaft, die das Potenzial haben, unangenehm zu sein. So wie wir Energie aufbringen müssen, um uns auf Höschls und Meiers Werke einzulassen, so müssen wir uns auch mit den zerstörerischen Systemen auseinandersetzen, auf die sie anspielen - eben jenen Systemen,

die wir kollektiv erschaffen haben und in denen wir nun leben.

Die Ausstellung greift eine alte Frage wieder auf: Wohin wird das selbstkonstruierte Konzept der „Menschheit“ letztendlich führen?

Eric Meiers Werke sind vertraute Vertreter urbaner Räume, Artefakte einer postsozialistischen Entwicklung. Sie sind der Höhepunkt einer Saga, die Höschl initiiert hat: In den Nachwehen des Anthropozäns haben die Überreste der Menschheit, obwohl logisch gedacht, ein unlogisches Wahrnehmungsgewicht. Meiers Diagnose scheint unausweichlich zu sein: Wir sind nicht mehr als physische Wesen präsent und hinterlassen nur noch die Trümmer unserer (un-)zivilisatorischen Existenz. Wer kümmert sich um unsere Überreste, die geschmolzenen Bierkrüge auf dem Boden?

Meier häuft akribisch fragmentierte Schichten der Existenz an,

bis die allmächtige Körperlichkeit der Menschheit untergegangen ist. Wohin fliehen die Menschen angesichts des drohenden Untergangs ihrer Spezies? Die vielfältige Rhetorik der beiden Künstler greift diese Meta-Substanzialität auf und schafft ein Abbild der zeitgenössischen post-truth Gesellschaft, die vom Eskapismus durch demaskierenden Humor lebt. Sie vermeiden Banalitäten und konfrontieren öffentliche Tropen der Entmenschlichung und Fahrlässigkeit. Ein zentrales Thema, das mitschwingt, ist die Idee der Zweideutigkeit, verkörpert durch Höschls Lentikulardruck, der je nach Perspektive des Betrachters sein Erscheinungsbild verändert und so die sich rasch verändernden soziopolitischen und ästhetischen Zweideutigkeiten unserer Zeit versinnbildlicht. Im gleichen Sinne beschäftigt sich Meier mit der inhärenten Ungewissheit, die sich aus solchen Parallelitäten ergibt. Seine Videoarbeit „W“ schildert die Kämpfe eines jungen Mannes, der sich mit Themen wie Identität, Zugehörigkeit, Männlichkeit und Umwelt auseinandersetzt. Inmitten einer gedämpften Geräuschkulisse ist seine körperliche Entschlossenheit zu kämpfen sichtbar, doch seine Stimme bleibt ungehört. Währenddessen durchdringen die propagandistischen Töne der Verschwörungstheoretiker den Raum, das Ohr, das Gehirn. In dem Moment, in dem Höschls Installation „Ein Lied für Deutschland“ beginnt, die Psyche zu umhüllen und sie an ihre eigene Resonanz zu binden, fesselt das begleitende Video den Blick und enthüllt eine immersive Reflexion der zerrütteten Komplexität innerhalb eines Reichs der radikalen Angst und des unerschütterlichen Glaubens.

Die Ausstellung zeigt die emotionale und zeitliche Gleichzeitigkeit multipler Zustände von Entitäten und Welten: ein einheitlicher Dualismus von Dystopie und Utopie und alle Myriaden von Zwischenverstrickungen. „Alles Kacke!“ ist weder eine aktivistische Prophezeiung noch eine Intervention zur Veränderung der Welt.

Es ist ein Diagramm der Komplexität der Gegenwart.

– Teresa Kamencek, 2023